Unsere Brasilianer 3 Tage in Köln

Am 12. Mai waren wir von Franziskanerpater Hans Stapel zum Papstbesuch auf die Fazenda Pedrinhas bei Aparecida/Brasilien eingeladen, dem Mutterhaus der mittlerweile über 40 weltweit existierenden Fazendas da Esperança. Dort trafen wir auch den italienischen Priester Renato Chiera, den Gründer des Sozialwerks „Casa do Menor“, der sich seit über 30 Jahren unermüdlich für die Straßenkinder in Rio und Umgebung einsetzt. Nach dem Papstbesuch fuhren wir in das Umland von Rio de Janeiro, der Baixada Fluminense, um die Fazenda Tingua zu besuchen, ein Gemeinschaftsprojekt der beiden Institutionen Casa do Menor und Fazenda da Esperança. Mit unseren beiden Benefizkarnevalssitzungen „Kölsche Jecke för uns Pänz in Rio“ in diesem und im kommenden Jahr unterstützt der Verein Kölsche Jecke die Straßenkinderarbeit auf der Fazenda Tingua. Im Gespräch mit Pater Renato lernten wir dort sein Sozialwerk näher kennen, das 10 Kinderheime, ein Kulturzentrum und Ausbildungsstätten verschiedener handwerklicher Berufe umfasst. Wir hörten über das immense Ausmaß an Gewalt durch rivalisierende Bandenkämpfe der Drogenmafia, die die Kinder in den Slums rekrutiert und über die Machenschaften von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, die dafür bezahlt werden die ungeliebten Straßenkinder zu eliminieren, die sich im täglichen Existenzkampf mit Diebstählen über Wasser halten.Der mittlerweile 65-jährige Pater Renato hat nichts von seinem Elan verloren. Als wir hörten, dass er mit einer Gruppe ehemaliger Straßenkinder Aufführungen in Deutschland und Italien vorbereitet, erklärten wir uns bereit, auch Auftritte in Köln zu ermöglichen.

So kam es, dass am Freitag, den 28.09.07 mit halbstündiger Verspätung um 9.15 Uhr 18 ehemalige Straßenkinder des Casa do Menor vollbepackt mit Rucksäcken, Koffer voller Kostüme, mit Trommeln und allerlei anderem Gepäck zitternd mit Handschuhen und Mützen eingemummt dem Nachtzug aus Mailand entstiegen, denn die 14 Grad Außentemperatur auf dem Kölner Hauptbahnhof werden in Rio selbst im Winter nicht erreicht. Es standen uns drei erlebnisreiche Tage mit den Brasilianern bevor, die nur ganz wenige Worte deutsch sprachen.

Den Transport für die Tage übernahmen die Eheleute Löbbert mit ihrem Busunternehmen aus Bergneustadt, die aus den Händen von Willibert Pauels bei der Verlosung auf der letzen Sitzung „Kölsche Jecke för uns Pänz in Rio“ einen Flug nach Rio gewannen, das Sozialwerk von Pater Renato besuchten und hiervon so beeindruckt waren, dass Sie sich sofort entschlossen zu helfen.   

Unsere Brasilianer hatten wir wie zu Zeiten des Weltjugendtages privat in Lövenicher Familien untergebracht. Nach der Begrüßung im Pfarrheim St. Severin durch Pfarrer Rainer Fischer erholten sie sich zunächst von den Reisanstrengungen, denn am Abend stand bereits ihre erste große Tanzaufführung bevor.

Es sollte ein Kölsch-Brasilianischer Abend eigener Art werden, der im Odemshof/Köln-Lövenich stattfand und von den Lövenicher Neustädtern, der Hubertus-Schützenbruderschaft Köln-Lövenich und dem Verein Kölsche Jecke vorbereitet wurde .

Die Tanzgruppe „Blaue Jungs“ und die Kindertanzgruppe „Kajüte-Müsjer“ der Lövenicher Neustädter traten begleitet von der Kapelle KaMaDi ohne Gage auf. Die Moderation teilten sich Ludwig Sebus und Alexander Ommer.

In einer gut einstündigen bewegenden Gesangs- und Tanzaufführung unter dem Motto „Trotz allem…Das Leben ist schön, schön, schön…“ stellten unsere ehemaligen brasilianischen Straßenkinder die Geschichte und Kultur Ihres Landes mit viel Samba, Karneval, Folklore und akrobatischem Capoeira vor.  Bei der temperamentvollen Aufführung erlebten die Besucher ein Wechselbad der Gefühle. Lebenslust und Farbenpracht wechselten mit der Darstellung des abgrundtiefen Elends im Drogen- Prostitutions- und Gewaltmilieu, das diese Kinder so authentisch vorführen konnten, da sie ihr eigenes Leben spielten.

6000 Menschen, darunter viele Kinder und Minderjährige, sterben jedes Jahr eines gewaltsamen Todes in der Stadt am Zuckerhut, wo die Polizei für diese Kinder kein „Freund und Helfer“ ist, berichtete Pater Renato, der die Kinder von der Straße aufnimmt, Ihnen Essen, Unterkunft und eine Ausbildung ermöglicht. Der Reinerlös des Abends, der seiner Sozialarbeit zugute kommt, ergab 1.581,11 €.

 

Am Samstagmorgen war wieder zeitiges Aufstehen angesagt, denn wir hatten für unsere brasilianischen Freunde einiges vorbereitet. Mit dem Bus ging es zur Domwallfahrt in die Kölner Innenstadt. Doch nicht wie erwartet auf den Dom richtete sich zunächst ihre volle Aufmerksamkeit. Unseren Brasileiros bereiteten die unbeweglichen menschlichen Standbilder vor dem Dom eine unbändige Freude. Sie alberten und führten Mätzchen auf, dass es den lebenden Säulen schwer fiel, Ihre Gesichtzüge noch unter Kontrolle zu halten .

 Großen Eindruck machte dann aber der Pilgerweg auf die Brasilianer, die im Sozialwerk von Pater Renato das miteinander gelebte Evangelium als bedeutende Kraft für ihre Vergangenheitsbewältigung erfahren haben.

Nach der Turmbesteigung des Kölner Doms war eine Stärkung im nahe gelegenen China-Restaurant vorgesehen. Für die Kinder und Jugendlichen war es das erste Mal, dass sie chinesisch zu Mittag aßen, entsprechend neugierig wurden die fremdartigen Speisen begutachtet. Große Freude brach aus, als sich herausstellte, dass der emeritierte Weihbischof Dr. Klaus Dick am Nebentisch saß und als sich dann noch herausstellte, dass er die Kirche St. Matthias in Bergneustadt, zu der wir nach dem Mittagessen aufbrachen, 1981 weihte, waren die Brasilianer und Pater Renato begeistert.

In Bergneustadt angekommen feierten und gestalteten die Brasilianer in der Pfarrei St. Matthias in Bergneustadt-Hackenberg die Vorabendmesse gemeinsam mit der Gemeinde und Kreisjugendseelsorger Kaplan Norbert Fink. Konzelebrant war Pater Renato.

Ganz anders wie sonst verlief für die Gemeinde dieser Gottesdienst. Kaplan Fink ließ den Brasilianern bei der Gestaltung einen großen Freiraum, den sie mit Gesängen, Lesung und Gabenbereitung gestalteten.

 Im Anschluss führten sie ihr gut einstündiges Programm im vollbesetzten Pfarrsaal von St. Matthias auf, das von den vielen Besuchern begeistert aufgenommen wurde. Durch den kurzfristig von Barbara Hünermund und ihren Mithelfern organisierten Abend kam die Gemeinde im Anschluss an die Aufführung noch ins Gespräch mit den Brasilianern. Die Sammlung im Pfarrsaal für die bewundernswerte Arbeit von Pater Renato erbrachte 1.400,- €. Der Abend war jedoch noch nicht zu Ende. Beim Ausklang führte Kaplan Fink die brasilianische Polonaise an und wurde von den Brasilianern in die hohe Kunst des Capoeira eingeführt, bevor es dann wieder zurück nach Köln ging.

 

Am Sonntag ruhten sich alle den Vormittag über in den Familien aus. Nach dem Mittagessen spielten wir mit den Brasilianern in der nahe gelegenen Halle Fußball. Unsere ad hoc aufgestellte „Deutsche Mannschaft“ aus Messdienern von Lövenich  war den brasilianischen Ballkünstlern nicht gewachsen und ging sang- und klanglos unter. Wenigstens stellte die Deutsche Damenmannschaft, die zeitgleich im Fernsehen die WM gegen Brasilien gewann, die Ehre wieder halbwegs her. Beim Kaffeetrinken im Pfarrheim St. Severin kam die Nachricht per E-Mail aus Brasilien, dass ein Jugendlicher des Casa do Menor ums Leben kam, was unsere Gruppe sehr betroffen und nachdenklich machte und veranlasste für ihn zu beten.

 Auf Einladung von Pfarrer Embgenbroich fand die gemeinsame Hl. Messe unter Mitwirkung der Brasilianer am Abend in St. Maternus einen schönen Ausklang des Aufenthalts unserer Brasilianer.  Eine Kollekte ergab noch einmal 404,38 € für die Arbeit von Pater Renato. Die Brasilianer bedankten sich mit Ausschnitten ihrer Tanzaufführung. Nach der Stärkung an dem von Ehrenamtlern vorbereiteten Imbiss ging es ein letztes Mal zurück nach Köln-Lövenich. Bei der Verabschiedung am Montagmorgen floss so manche Abschiedsträne auf beiden Seiten. Zu sehr waren uns die Brasilianer ans Herz gewachsen. Mit Ihrer Herzlichkeit, Dankbarkeit und menschlichen Wärme haben sie uns allen viel gegeben. Wir werden sie vermissen!

Marion und Ulrich Böde

Verein Kölsche Jecke

 

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